Bei Betrachtung der heutigen Anforderungsprofile an einen Sägeprozess wird schnell deutlich, dass zunehmend spezifischere Anforderungen an die Anwendungen und erzeugten Produkte gestellt werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist die steigende Variantenvielfalt an zu bearbeitenden Materialien und Geometrien (Formen und Abmessungen).
Diese Tatsache stellt auch die Werkzeugentwicklung und Prozessauslegung vor neue Herausforderungen. Nach der gängigen Praxis wird bislang bei der Auswahl und Empfehlung optimaler Kreissägewerkzeuge für die jeweiligen Anwendungen oft nach dem Trial & Error-Prinzip aus dem bestehenden Werkzeugrepertoire vorgegangen. Unter anderem im Hinblick auf die Bearbeitung von Hybrid- und Sandwichmaterialien und von neuen Werkstoffen mit verändertem Spanverhalten wie beispielsweise faserverstärkten Kunststoffen werden mit diesem Prinzip jedoch Grenzen erreicht.
Die Einsatzfähigkeit der Werkzeuge wird in erster Linie anhand der erzeugten Schnittqualität am Bauteil und der rein qualitativen Bewertung der Schneide auf Verschleißerscheinungen beurteilt. Die genauen Einflüsse während des Trennprozesses durch beispielsweise Zahngeometrie und Spanraum jedoch sind schwer erfassbar und werden daher selten in der Bewertung berücksichtigt.
In einem neuen Untersuchungsvorgehen des Fraunhofer IPA kann mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeits-Kamera nun erstmalig ein Blick direkt auf das sich im Eingriff befindende Werkzeug geworfen werden. Für das Auge sonst nicht sichtbare spezifische Einflüsse des Trennprozesses während des Schnittes werden dadurch sichtbar aufgezeigt. Das nachfolgende Video zeigt einen Ausschnitt einer Untersuchung:
Neben Schnittqualität und Verschleiß, können nun auch konkrete Prozesskriterien wie Spanbildung und Spantransport oder Schneidenein- und -austritt untersucht und bewertet werden. Der Aufbau bietet zudem die Möglichkeit zusätzlich Signale der vorherrschenden Prozesskräfte zu erfassen. Damit sind auch Leistungsaspekte bewertbar.
Auf diese Weise soll gezielt eine Verbesserung im Bereich der Werkzeugauslegung für Neuprozesse und der Optimierung von bestehenden Prozessen möglich sein. Der höhere Informationsgehalt schafft eine bessere Bewertungsgrundlage, was sich in schnelleren und präziseren Ergebnissen bemerkbar macht.
Denkbarer Einsatz ist auch die gezielte Untersuchung bestehender Sägewerkzeuge. Die große Anzahl der heute eingesetzten Zahngeometrien ist historisch gewachsen. Dabei sind deren Ursachen und genauen Effekte weitgehend unbekannt. Eine spezifische Untersuchung und Betrachtung erschließt neue Potenziale für die Optimierung von bestehenden Werkzeugen auf bestimmte Anwendungen. Das verbesserte Verständnis über den Sägeprozess fördert außerdem innovative Ideen und völlig neue Denkansätze.